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Die österreichische Arbeitsstiftung gemäß § 18 AlVG. Eine wissenschafts- und modelltheoretische Analyse.

Erstellt von Dr. Daniel Pühringer |

Die „Arbeitslosigkeit“ wird schnell als Problem im Sinne des modelltheoretischen Analyseschemas identifiziert, doch zeigt dieses auch, dass es Wert ist, die Oberfläche zu verlassen und sich mit dem Problem selbst zu beschäftigen. Es ist auch kritisch zu betrachten, dass die „österreichische Arbeitsstiftung“ als Allheilmittel gesehen wird. Das LIR-Schema zeigt, dass es immer Lösungen gibt, doch mit unterschiedlichen Qualitäten. Man sollte die bequeme Oberfläche verlassen und sich den Themen „Arbeitslosigkeit“ und „Arbeitsstiftung“ auf einer wissenschaftlichen Ebene nähern. Entsprechend lautet das Forschungsziel dieser Arbeit wie folgt:

Die wissenschaftliche Analyse und Lösung der Arbeitslosigkeit mit Hilfe der österreichischen Arbeitsstiftung.

Arbeitslosigkeit“ ist ganz eindeutig als [P:] zu sehen und wird im § 12 AlVG rechtlich definiert. Um [P:] zu verstehen und entgegenzuwirken, muss man sich mit den Gründen und Ursachen des Problems auseinandersetzen. Als Gründe und Ursachen sind eine fehlende Grundausbildung bzw. Fachausbildung, eine falsche, veraltete bzw. nicht nachgefragte Ausbildung, eine fehlende persönliche bzw. berufliche Weiterbildung oder Höherqualifizierung, sowie ein starker Drang in den Dienstleistungssektor zu identifizieren. Wechselt man von einer rein handelnden Ebene auf eine denkende, so zeigt sich, dass mit [P: Arbeitslosigkeit] auch Auswirkungen [S: persönliche und volkswirtschaftliche Verluste] einhergehen. Als Auswirkungen können der Verlust eines substantiellen Sicherheitsgefühls, eine gesellschaftliche Stigmatisierung, der Verlust des Selbstbewusstseins und des emotionalen Marktwertes, Rastlosigkeit, Depressionen, Angstzustände, Schuldgefühle und selbst beschuldigende Gefühle, Selbstzweifel und das Gefühl überflüssig zu sein, sowie Sucht- und Alkoholprobleme, Probleme im Familienverbund und in der Partnerschaft, erhöhte arbeitsmarktpolitische Kosten, Wissensverlust und Einschränkungen im momentanen und zukünftigen Konsum- und Sparverhalten gesehen werden. Bereits hier erkennt man die Komplexität dieses scheinbar „einfachen“ Problems.

 

Als adäquate Lösung für [P: Arbeitslosigkeit] wird [Q: Job] gesehen. Auf denkender Ebene sieht man in [R: arbeitsmarktpolitisch nachhaltiges Dienstverhältnis] eine entsprechende Lösung. Dabei handelt es sich um nachhaltige, qualifizierte Arbeitskräfte für den österreichischen Arbeitsmarkt bzw. die Volkswirtschaft im Allgemeinen.

 

Die österreichische Arbeitsstiftung wird in diesem Zusammenhang immer wieder als bestmöglicher Ansatz gesehen, um [P: Arbeitslosigkeit] und [S: persönliche und volkswirtschaftliche Verluste] in einer entsprechenden Qualität zu lösen. Eine entsprechende Qualität bedeutet, [Q: Job] und [R: arbeitsmarktpolitisch nachhaltiges Dienstverhältnis] zu erreichen. Doch was versteht man eigentlich unter der österreichischen Arbeitsstiftung?

 

Diese Arbeit zeigt, dass es unterschiedliche Wege und Ansätze gibt, sich dem Thema „Arbeitsstiftung“ zu nähern. Doch ist es schlichtweg unmöglich, die Komplexität dieses Themas in einem Satz darzustellen! Festzuhalten ist, dass Arbeitsstiftungen ein modulares, in sich aufbauendes, sozialpartnerschaftliches Instrument der aktiven und betrieblichen Arbeitsmarktpolitik sind. Es sind rechtliche, organisatorische und soziale Einrichtungen, die dazu beitragen etwaige Strukturanpassungen am Arbeitsmarkt vorzunehmen bzw. Menschen einen neuen „Anfang“ ermöglichen. Mittels Zielfindung bzw. Personalauswahl werden Potentiale erkannt, durch theoretische bzw. praktische Ausbildungen geformt, um im Anschluss aktiv auf den österreichischen Arbeitsmarkt zu drängen und Fuß zu fassen. Dabei werden die Arbeitsstiftungen und die teilnehmenden Personen durch das Arbeitsmarktservice, die Länder und/oder die Gemeinden, aber auch die personalaufnehmenden Unternehmen gestützt. Diese enge Zusammenarbeit hat die österreichische Arbeitsstiftung zu einem entscheidenden Bestandteil des österreichischen Arbeitsmarktes gemacht und wird über die Grenzen hinaus als Best-Practice-Beispiel gehandelt. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Arbeitsstiftung eine Möglichkeit, aber auf keinen Fall ein Recht ist. Eine Arbeitsstiftung ist auch kein soziales Auffangbecken, um Menschen zu trösten. Sie ist eine Einrichtung, die Menschen hilft an sich und den Qualifikationen zu arbeiten, sich zu formen und sich am Arbeitsmarkt wieder zu integrieren. D.h. eine Arbeitsstiftung sollte als „Anfang“ gesehen werden, um sich zu rüsten und neu durchzustarten. Doch wie ist die österreichische Arbeitsstiftung in das modelltheoretische Analyseschema „LIR“ einzubinden?

 

Die Arbeitsstiftung inkl. der dazugehörigen Bundesrichtlinie nimmt eine sehr zentrale Rolle im graphischen, aber auch inhaltlichen Gesamtzusammenhang des LIR-Schemas ein (vgl. Abbildung 25). Die Bundesrichtlinie selbst wird als Regelwissen verstanden und in Form von [K:] dargestellt. Dieses Wissen umfasst zusätzlich Gesetze, Methoden der Bildungsplanung und ähnliches und kann oberflächlich betrachtet einfach verstanden und umgesetzt werden. [F:] steht für Menschen, die sich mit [P: Arbeitslosigkeit] konfrontiert sehen und nach der bestmöglichen Lösungsqualität streben. Es handelt sich dabei um Laien- bzw. Allgemeinwissen. Im Gegensatz dazu werden HR-Experten, AMS-Mitarbeiter, Stiftungsvorstände und/oder Mitarbeiter der Arbeitsstiftungen im Rahmen des Modells als [E:] und somit als Experten klassifiziert. Diese Gruppe beschäftigt sich professionell und laufend mit [P: Arbeitslosigkeit] und möglichen Lösungsansätzen. Mit [M:], dem sogenannten Metawissen, gibt es eine weitere Variable zu beschreiben. [M:] steht dabei für ein Delta, einen Erfolgsfaktor. Dieses so genannte „erfolgskritische Wissen“ resultiert aus einem unterschiedlichen Regelverständnis (einer „Wissensschere“) von [F:] und [E:]. Doch wie wird die Arbeitsstiftung von [F:] und [E:] gesehen?

 

Das Regelverständnis von [F:] ist vielleicht „einfacher gestrickt“ als man vermutet hätte. [F:] sieht in einer Arbeitsstiftung eine arbeitsmarktorientierte Ausbildung, eine begleitete Arbeitsmarktintegration, aber vor allem eine soziale und finanzielle Absicherung. Im Vergleich dazu sieht [E:] in einer Arbeitsstiftung ein (arbeitsmarktpolitisches) Regel-Werkzeug [K:] (eines von mehreren), um arbeitslose Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Bildung, die arbeitsplatznahe, individualisierte Qualifikation, ob theoretisch oder praktisch, ist dabei lediglich Mittel zum Zweck, um die gewünschte berufliche Nachhaltigkeit sicherzustellen.

 

Die Wissensschere wie auch das damit verbundene erfolgskritische Wissen kann zu unterschiedlichen Lösungsqualitäten führen. In diesem Zusammenhang ist es interessant, ob eine Arbeitsstiftung die Chancen und Möglichkeiten arbeitsloser Menschen erhöht. Die Erkenntnisse zeigen, dass [E:] eher zu einer Kombination aus denkenden und handelnden Lösung tendiert, wogegen [F:] meistens „nur“ die handelnde Ebene für sich nützt. Der Sprung auf die denkende Ebene wird durch eine soziale und finanzielle „Extremsituation“, aber auch durch ein fehlendes Fachwissen erschwert bzw. für gewisse Personen nahezu unmöglich. Da im Zuge der Arbeitsstiftung [E:] und [F:] zusammengeführt werden – das Instrument Arbeitsstiftung [F:] stellt Experten im Rahmen der Zielfindung, der Aus- und Weiterbildungsphase sowie der Arbeitsmarktintegration zur Seite – wird die Lösungsqualität für [F:] auf jeden Fall erhöht.

 

In diesem Zusammenhang sollte man auf die Abbildung 30 in dieser Arbeit verweisen, wo [P: Arbeitslosigkeit] und die Arbeitsstiftung in den arbeitsmarktpolitischen KM-Prozess eingebettet werden. Speziell die „Supply Side“ bietet Informationen über den Arbeitsmarkt, nachgefragte Anforderungsprofile, die momentane und zukünftige Arbeitsmarktsituation, sowie etwaige Entwicklungen. Dieses erfolgskritische Wissen (vgl. [M:]) unterstützt den Problemlösungsprozess und somit die Qualität der Lösung. Bewertet wird diese auf der „Demand Side“ der Abbildung in Form von individuellen Erfolgsberichten. Die meisten Befragten sehen das genauso und tendieren, im Fall von Arbeitslosigkeit, zu einem Eintritt in eine Arbeitsstiftung. Diese Personen würden das Instrument „Arbeitsstiftung“ nicht nur weiterempfehlen, sondern Dritten sogar einen Eintritt nahelegen. Dabei spielt die Möglichkeit der Aus- bzw. Weiterbildung eine entscheidende Rolle, aber auch die daraus resultierende Chance auf eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration. Eine Statistik des Arbeitsmarktservice unterstützt diese Sichtweise und bestätigt, dass 90% aller Teilnehmer im Zuge einer Arbeitsstiftung nicht nur höher qualifiziert, sondern auch vermittelt werden bzw. sich selbst im Zuge ihrer praktischen Ausbildung vermitteln. Diese Tendenz gilt auch für Personen mit „schlechteren Karten“ (Alter, Ausbildung, usw.), da im Zuge der theoretischen und praktischen Ausbildungsphase etwaige Mankos gelöst werden und Unternehmen ihre zukünftigen Mitarbeiter kennen lernen können.

 

Möchte man einen Blick in die Zukunft der aktiven Arbeitsmarktpolitik werfen, dann empfiehlt es sich, vorerst die Vergangenheit und die gegenwärtigen Entwicklungen zu betrachten. Fest steht, dass bis dato „Arbeitsstiftungen“ im Problemlösungsprozess von [P: Arbeitslosigkeit], mehrheitlich positiv gesehen werden und zu besseren Lösungsqualitäten führen bzw. geführt haben. Trotzdem sind gegenwärtige Tendenzen zu erkennen, dass das vormalige „Best-Practice-Instrument“ der aktiven Arbeitsmarktpolitik starken Veränderungen unterliegt. So werden zukünftig nur noch größere Personalaufnahmen und Strukturanpassungen mit Hilfe von Arbeitsstiftungen gelöst, während die Arbeitsstiftung als Alltagsinstrument durch die arbeitsplatznahe Qualifizierungen (AQUA) ersetzt wird. Stellt sich die Frage: Ist die revolutionäre Entwicklung von AQUA die Lösung für [P: Arbeitslosigkeit] bzw. ist die klassische Arbeitsstiftung damit dem Untergang geweiht? Revolutionäre Entwicklungen können sich natürlich positiv auswirken, doch haben Experten darauf hingewiesen, dass es vielleicht besser, einfacher, stabiler und vor allem von höherer Akzeptanz gewesen wäre, hätte man die Arbeitsstiftungen „evolutionär“ weiterentwickelt und [E: Experten] in den Entwicklungsprozess miteingebunden. Es wirkt als hätte man mit AQUA unbedingt (revolutionär) ein Pendant schaffen wollen, um die bekannten Arbeitsstiftungen zu ersetzen. Fest steht, dass für den „Fachkräftemangel“, aber auch für den „sozialen Gedanken“ immer Platz in der aktiven Arbeitsmarktpolitik sein muss.

Pühringer D. (2012): "Die österreichische Arbeitsstiftung gemäß § 18 AlVG. Eine wissenschafts- und modelltheoretische Analyse."

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